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Dokumentation und Innovation bei der Erfassung von Kulturgütern II
Es war die erste Regionalveranstaltung dieser Art des Bundesverbands freiberuflicher Kulturwissenschaftler und die Resonanz übertraf die Erwartungen der Organisatoren. Mehr als 120 Teilnehmer kamen am 15. Februar 2014 in die Universität Hamburg, darunter etwa 50 Studierende, um sich Vorträge aus den Themenfeldern "Wissenschaft und Markt", "Förderung und Finanzierung" und "Arbeitsfelder und Auftraggeber" anzuhören.
Den Anfang machte Stefan Nies, Vorsitzender des BfK, der zunächst einen Überblick über die vielfältigen Arbeitsbereiche selbstständiger Historiker, Volkskundler, Archäologen, Kunsthistoriker oder vieler andere Kulturwissenschaftler gab. Als Freie sind sie in Forschungsprojekte eingebunden, erarbeiten Konzepte zur Vermittlung und Öffentlichkeitsarbeit, planen Ausstellungen und Veranstaltungen, verfassen Unternehmenschroniken und Jubiläumsschriften oder beraten die Produzenten historischer Filme - um nur ein paar Beispiele zu nennen. Basierend auf Forschungen Birgit Mandels von der Universität Hildesheim skizzierte Nies dann das Selbstbild und die Marktbehauptungsstrategien freier Kulturunternehmer, deren hohe Motivation und starke inhaltliche Identifikation mit ihrer Tätigkeit nicht immer zu entsprechendem wirtschaftlichen Erfolg führt. Dies zeigte auch ein Blick auf die Statistik der Künstlersozialkasse. Die hohe Qualität kulturwissenschaftlicher Arbeit zu fördern und die unternehmerischen Kompetenzen und Rahmenbedingungen zu verbessern, gehört zu den wichtigsten Zielen des BfK, dessen Angebote und Arbeit Nies abschließend vorstellte. Er warb vor allem für eine bessere Vernetzung der Freischaffenden untereinander.
Thorsten Logge stellte als zweiter Redner die Angebote des Arbeitsbereichs Public History am Fachbereich Geschichte der Hamburger Universität vor. Schon immer habe es den Gegensatz zwischen Wissenschaft und Praxis gegeben, der zum Vorwurf der Praxisuntauglichkeit von Absolventen der geisteswissenschaftlichen Fächer geführt habe.
Um diese Lücke zwischen Studium und Erwerbstätigkeit zu schließen, habe die Universität zum einen einige fächerübergreifende Angebote geschaffen, dazu gehören das Career Center, der Alumni-Verein, anwenderbezogene Angebote des Regionalen Rechenzentrums und umfassende Angebote zur Rechercheunterstützung durch die Hamburger Staats- und Universitätsbibliothek. Besonders hob Logge die Bedeutung der Schreibwerkstatt hervor. Die Universität reagiere darauf, dass vermehrt Studierende ohne bürgerlichen/akademischen Familienhintergrund in dem Seminaren säßen. Denen, so Logge, fehle oft die selbstverständliche Schreibkompetenz früherer Studentengenerationen.
Mit der Umbenennung des bisherigen Arbeitsbereichs "Allgemeine Berufsqualifizierende Kompetenzen" in "Public History" gehen der Fachbereich Geschichte und die Fakultät für Geisteswissenschaften zum anderen ganz neue Wege, um die Absolventen des so genannten Neigungsfaches Geschichte konkreter und praxisbezogener für den Arbeitsmarkt zu qualifizieren.
Zwei Praxismodule sollen während des Studiums Kompetenzen für die Berufsfindung liefern: Im ersten Modul erkunden die Studierenden Berufsfelder, treffen Praktiker, reflektieren Arbeitsweisen und Methoden. Im zweiten Modul sammeln die Studierenden in den letzten Semestern konkrete praktische Erfahrungen in der Projektarbeit. Dieses Modul heißt Geschichtsbureau und bildet fünf einschlägige Tätigkeitsbereiche für Historikerinnen und Historiker als Abteilungen ab: Wissenschaft, Archiv, Museum, Redaktion und Historische Dienstleistungen. So wirken sie beispielsweise an historischen Ausstellungen mit. Auch crossmediales Arbeiten ist ein Schwerpunkt, der u.a. in Web-Geschichten zu Hamburger Stolpersteinen mündete. Bei alle dem solle aber die kritische Reflektion nicht fehlen im Studium sei noch die Gelegenheit dazu, während dies in der Praxis später oft untergehe.
Durchaus kritische Fragen wurden nach dem Vortrag gestellt: Wie erkläre Logge sich die Diskrepanz zwischen dem breiten Angebot und der mangelnden Nachfrage? Einerseits seien Studierende heute sehr gehetzt durch die Anforderungen der BA-Studiengänge. Ohne Credit Points würden Veranstaltungen kaum wahrgenommen - es fehle einfach die Zeit dafür. Zudem seien viele Studierende gerade am Anfang ihres Studiums so orientierungslos, dass sie den Nutzen dieser praktischen Angebote nicht einschätzen könnten.
Norman Schulz von der 2007 gegründeten Bundesinitiative Kultur- und Kreativwirtschaft stellte die Branchen und Kreativen vor, die in Norddeutschland dazu gehören. In den elf von ihm genannten Branchen wurden zwar die Kulturwissenschaftler nicht explizit genannt, nichts desto trotz betonte Schulz, dass Historiker und andere Kultur-Dienstleister herzlich willkommen seien, die vielfältigen Unterstützungsangebote des Kompetenzzentrums Kultur- und Kreativwirtschaft wahrzunehmen. Regionalbüros gibt es in Norddeutschland in Hannover (für Bremen und Niedersachsen) und Hamburg (für Hamburg/Mecklenburg-Vorpommern/Schleswig-Holstein).
[ siehe auf www.kultur-kreativ-wirtschaft.de , Unterpunkt "Information und Beratung" ]
Die Berater kommen aber auch in kleinere Städte. Sie bieten Informationen über Fördermöglichkeiten, Kreditmodalitäten und unternehmerisches Know-How speziell für Gründer und Gründerinnen. Ein großer Teil der Angebote sei kostenfrei, zumindest in der ersten Phase der Selbständigkeit. Schulz machte den Zuhörern deutlich, dass sie sich als Unternehmer in ihrem Wirtschaftsfeld verstehen sollten und entsprechend auch ökonomisch und damit professionell denken sollten.
Egbert Rühl, Geschäftsführer der Hamburg Kreativgesellschaft, nahm den Faden auf und spann ihn weiter: "Alles wird sich fundamental verändern.", verkündete er und formulierte damit gewissermaßen das Motto der Veranstaltung. Kreative freie Arbeit beschäftige schon heute mehr als eine Million Menschen in Deutschland und sei eine Boom-Branche.
Rühl machte klar: Freiberuflich tätige Kulturschaffende sollten sich nicht verstehen als marginalisierte, prekäre Randexistenzen des Kulturbetriebs, sondern als Avantgarde einer sich rasant verändernden Arbeitswelt. Das Innovationspotential der Kreativen sei auch in den etablierten Wirtschaftsfeldern längst anerkannt. Auch die Standortpolitiker der Hansestadt wünschten sich selbstbewusste kreative Profis, die sich auch in ihrer Kreativarbeit nicht vor Kommerz scheuten, bzw. Kreative, die in ihrer Arbeit keinen Gegensatz zu Unternehmertum sehen.
Die fest angestellten Kreativen seien die Dinosaurier dieser Wirklichkeit, die Freien dagegen Impulsgeber neuer Formen von Schaffen und Leben. Aus diesem Grund gibt die Kreativgesellschaft Unterstützung in Form von bezahlbaren Ateliers und Büroräumen und hat derzeit rund 25.000 qm Fläche im Angebot. Darüber hinaus hat auch die Kreativgesellschaft Beratung und Coaching, Starthilfe für Berufsanfänger, Finanzierungshilfen und Angebote zur Vernetzung in ihrem Programm (siehe http://kreativgesellschaft.org/). Wie Norman Schulz sieht auch Rühl die Vernetzung und Beratung von Existenzgründern in Deutschland als verbesserungsfähig an. Zielgenaue Coachings beispielsweise für Kunststudenten sollen Kontakte in die Welt zukünftiger Kunden bringen und damit die Existenzgründung auf eine solide Basis stellen.
Andreas Wendowski-Schünemann stellte aus Auftraggebersicht, aus Sicht der Stadtarchäologie Cuxhaven, die "gelungene Zusammenarbeit" mit privaten archäologischen Grabungsfirmen vor und berichtete anschaulich von einigen erfolgreichen Projekten in Cuxhavener Stadtgebiet.
Eine nicht unerhebliche Zahl archäologischer Grabungen wird inzwischen von diesen externen Fachfirmen, die über wissenschaftliches und technisches Personal verfügen, übernommen. Das dies überhaupt möglich ist, liegt an dem in den Denkmalschutzgesetzen der meisten Länder verankerten Verursacherprinzip, wonach derjenige, der bodeneingreifende Maßnahmen beabsichtigt (z. B. eine Baumaßnahme), die Kosten der notwendigen, von den Denkmalbehörden angeordneten feldarchäologischen Untersuchungen zu tragen hat. Und besonders die kommunale Denkmalpflege kleiner Städte verfügt längst nicht mehr über das Personal und Equipment, diese Untersuchungen selbst vorzunehmen. Die Beispiele zeigten, wie groß und anspruchsvoll solche Projekte sein können.
Etwa 100 Grabungsfirmen unterschiedlicher Größe, so schätzt Wendowski-Schüneman, sind in Deutschland aktiv. Ergänzend sei angemerkt, dass knapp 40 Grabungsfirmen Mitglied des BfK und dort in einer eigenen Sektion organisiert sind und sich besonderen Qualitätsstandards verpflichtet haben. Neben dem wissenschaftlich und technisch qualifizierten Fachpersonal rekrutieren die Grabungsfirmen projektbezogene Grabungsteams meist aus Archäologiestudierenden. Außer Ausgrabungen und ihre Dokumentation werden auch Prospektionen, Geländevermessungen oder digitale Geländemodelle angeboten. Berufsanfängern, die in diesem Bereich tätig werden wollen, zum Beispiel als Angestellte der Grabungsfirmen, riet Wendowski-Schünemann, viel praktische Erfahrung zu sammeln und eher einen höherqualifizierten Master- als einen Bachelorabschluss anzustreben. Der (Arbeits-)Markt sei aber sehr eng.
Hilke Langhammer, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bomann-Museum, berichtete über die Zusammenarbeit des Celler Museums mit Freien. Die umfassende Neugestaltung der Dauerausstellung 2013 hatte sehr vielfältige Aufträge zum Beispiel an freie Historiker nötig und durch die erworbenen Drittmittel auch möglich gemacht. So entstanden Interviews mit Zeitzeugen auch vor der Kamera, Aufträge für Recherchen zum bäuerlichen Alltagsleben und zu Arno Schmidt als Heidedichter wurden an freie Kulturschaffende vergeben.
Die einst reichlich "vitrinöse" Präsentation (Langhammer) der Exponate wurde durch viele kreative Ideen von außen völlig verändert. Eine Texterin sorgte für anschaulichere Raum- und Exponaterläuterungen und digitale Apps machten manche der früher unverzichtbaren Texttafeln überflüssig und ermöglichten nun viel ansprechendere Präsentationsformen.
Gerade auch die Freien brächten neue Impulse, so Langhammer, auf die die Museen nicht verzichten wollten. Natürlich ginge der Auftragsausschreibung oft eine langwierige Vorarbeit voraus und nicht immer sei es in den Museen unumstritten, so viele Gelder und Aufträge aus dem Haus heraus zu vergeben. Langhammer sieht aber einen langfristigen Trend in diese Richtung, der nicht mehr zurückzudrehen sei und beschrieb das Unternehmensfeld als Expansionsbranche, in der noch viele Nischen, u.a. für digitale Inhalte, zu besetzen seien.
Hans Lochmann vom Museumsverband Niedersachsen und Bremen e.V. ermunterte die freischaffenden Kulturwissenschaftler zu einem unternehmerisch professionellen Auftreten. Anknüpfend an den Vortrag von Thorsten Logge begrüßte er Angebote mit mehr Praxisbezug schon für Studierende und Absolventen.
Er hob die guten Erfahrungen vieler Museen in der Zusammenarbeit mit freien Kulturwissenschaftlern hervor. Alleine in Niedersachsen gebe es etwa 900 Museen. Vor allem kleinere Häuser benötigten bei Ausstellungsprojekten oder Umbauten auch die Unterstützung externer Wissenschaftler. Er lud Interessenten ein, sich mit entsprechenden Unterlagen an den Verband zu wenden, um in den Pool der Dienstleister zu kommen und ggf. vom Verband an Museen vermittelt zu werden. Denn zu den wichtigsten Zielen des Verbandes gehört die Qualifizierung der Museen, die er in allen Fragen der Museumsarbeit berät und unterstützt.
Thomas Schuhbauer berichtete über die Möglichkeiten, als freier Historiker für das Fernsehen zu arbeiten. Schuhbauer ist Produzent bei der renommierten Hamburger Produktionsfirma ECO Media und war verantwortlich für viel beachtete Dokumentationen auch im Bereich historischer Filme. Das Unternehmen produziert jährlich rund 40 Filme für öffentlich-rechtliche Sender, davon sind ca. 12 historischen Inhalts.
Er selbst ist promovierter Historiker. Der Doktor habe allerdings in der Medienbranche keinen allzu großen Wert. Immerhin, räumte Schuhbauer ein, erleichtere der Titel doch oft den Zugang zu wissenschaftlichen Einrichtungen, dort "knalle man noch die Hacken zusammen", wenn ein Promovierter im Auftrag öffentlich-rechtlicher Sender Anfragen stelle.
Freie Rechercheure müssten zweierlei bedenken: Beraterverträge gäbe es nur für Informationszuträger, die Exklusives zu bieten hätten, so beispielsweise Zugang zu Zeitzeugen, die nicht einfach recherchierbar seien. Oder aber die Freien böten mit ihrem Expertentum einen so bestechenden Wissensvorsprung im Vergleich zur normalen Recherchetätigkeit der Redakteure, dass man ihnen dafür Werkverträge ausstelle. Ein Sinologe, der jüngst in einer Produktion über Marco Polo mitgearbeitet habe, sei sogar zum Protagonisten aufgestiegen: Im Film wirke er nun vor der Kamera mit.
Die Produzenten würden genau schauen, wo sich Honorare lohnten, machte Schuhbauer klar: Rechercheure, die ihre Dienste anbieten, müssten schon genau wissen, dass sie auch etwas liefern können. Die Firma ECO Media habe sich einen Namen gemacht mit investigativen Themen. Schuhbauer lud die Zuhörer ein, ihm als Produzenten Themen aus diesem Bereich anzubieten. Auch auf dieser Basis sammle er gern weitere Beispiele für erfolgreiche Zusammenarbeit mit Freelancern.
Wichtiger noch als die informativen Vorträge waren die vielen spontanen Gespräche, die sich in den Pausen am Rande der Veranstaltung ergaben: Hier wurden sie wirklich geknüpft, die Kontakte zwischen Kollegen, die sich nicht (nur) als Konkurrenten verstehen. Verblüffend wird für die meisten gewesen sein, wie viele Gleichgesinnte es tatsächlich gibt. Besonders ermutigend waren die facettenreichen Vorträge wohl für Studierende, Doktoranden und Berufsanfänger.
Text: Viktoria Urmersbach, Hamburg
Fotos: Julia Werner, Hamburg
[ Tagungsprogramm ] [ Flyer zur Veranstaltung - PDF 106 kb ]