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Dokumentation und Innovation bei der Erfassung von Kulturgütern II
Interview: Thomas Hammacher
Vor allem durch den Fall Gurlitt wurde die Notwendigkeit, die Herkunft künstlerischer und musealer Objekte klären zu müssen, auch einer größeren Öffentlichkeit bewusst. Wir haben Frau Dr. Ute Haug von der Kunsthalle Hamburg zu einem Interview gebeten.
Dr. Ute Haug hat Kunstgeschichte, Baugeschichte und Geschichte an der RWTH Aachen und der Universität Florenz studiert und 1998 zum Thema "Der Kölnische Kunstverein im Nationalsozialismus" promoviert. Nach einem Museumsvolontariat leitet sie seit 2000 die Provenienzforschung an der Hamburger Kunsthalle. Sie ist Gründungsmitglied und Vorsitzende des Arbeitskreises Provenienzforschung e.V.
Sehr geehrte Frau Dr. Haug, Sie sind Leiterin der Abteilung für Provenienzforschung an der Hamburger Kunsthalle und waren in diesem Jahr auch für die Organisation der Tagung des Deutschen Museumsbundes in Essen mit verantwortlich, die unter dem Titel "Die Biografie der Objekte - Provenienzforschung weiter denken" stand. Was waren der Anlass oder der Grund, diesem Thema seitens des Deutschen Museumsbundes ein so prominentes Forum zu geben?
Die diesjährige Tagung des Deutschen Museumsbundes habe ich nicht mitorganisiert sondern war Gast auf dieser. Dabei hatte ich die Gelegenheit, auf einem Podium auch meine Sicht der Dinge formulieren zu dürfen. Feststellen konnte ich, dass nach den vielen Jahren, in denen das Thema immer wieder auf die Tagesordnung gerufen wurde, bei vielen Kolleginnen und Kollegen ein Um- und Weiterdenken stattgefunden hat, was mich sehr freut. Natürlich gibt es auch weiter Vorbehalte, nicht hinsichtlich der Notwendigkeit von Provenienzforschung, sondern hinsichtlich der selbstverständlichen Einbindung dieser Tätigkeit und der Nutzung der daraus resultierenden Ergebnisse im Museumsalltag. Aber das ist ein üblicher Prozess, der sicher noch viele neue Lösungen und Möglichkeiten bereithalten wird.
Vor allem durch den Fall Gurlitt wurde die Notwendigkeit, die Herkunft künstlerischer und musealer Objekte klären zu müssen, auch einer größeren Öffentlichkeit bewusst. Doch ist, und das hat auch die Tagung des DMB gezeigt, diese Arbeit keineswegs auf die Restitution geraubter Kunstwerke aus der Zeit des Dritten Reichs eingeschränkt. Können Sie bitte kurz die weiteren Aufgaben- und Themenfelder benennen, die sich heute der Provenienzforschung stellen?
Tatsächlich wird unsere Forschungsarbeit oft nur sehr eingeschränkt als "Restitutionsforschung" verstanden. Unsere Arbeit ist wesentlich umfangreicher. Systematisch zu untersuchen sind die Biografien aller in den Sammlungen erhaltenen Objekte, die ab 1933 bis heute in die Bestände gelangt sind. Um die Biografien dieser Gegenstände, deren Entstehungszeitpunkt oft über Jahrhunderte, wenn nicht gar Jahrtausende zurückreicht, rekonstruieren zu können, ist eine intensive Beschäftigung mit dem Objekt an sich und mit dessen physischen Stationen notwendig. Dazu sind viele Unterlagen in den jeweiligen Einrichtungen zu konsultieren. Und hier fangen die Probleme oftmals an. Gibt es eine gut geführte Objektdatenbank? Oftmals ist dies nicht der Fall. Wie erhalte ich Zugang zu den Akten, die sich mit dem Objekt befassen? Existiert ein hauseigenes Archiv? Wenn ja, wird es betreut und wird der Archivbestand aufbereitet? … Wenn diese Hürden gemeistert sind, die bei jedem Objekt erneut erscheinen, da meist in den Einrichtungen keine Archive oder keine gut geführten Archive vorhanden sind, Datenbanken da sind, aber vieles dort noch nicht eingespeist ist, geht die Suche nach weiterführenden Informationen in externen Archiven, Bibliotheken, Museen etc. weiter.
Oft ist es wichtig, die Sammlungsgeschichte des Hauses bzw. die Institutionsgeschichte sehr gut zu kennen. Denn historische Kontakte und deren Netzwerke liefern oftmals wichtige Hinweise, wo einzelne Objekte herstammen können.
Frau Dr. Haug, Sie sind auch seit dem letzten Jahr die Vorsitzende des Arbeitskreises für Provenienzforschung e.V.. Können Sie uns bitte etwas über die Aufgabe und Arbeit dieses Arbeitskreises berichten?
Der Arbeitskreis Provenienzforschung e. V. hat inzwischen 100 Mitglieder, worüber wir uns sehr freuen, denn es bestätigt, dass die einzelnen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die vornehmlich in diesem Berufsfeld tätig sind, an einem intensiven Austausch interessiert sind und diesen Bedarf auch so formulieren. Unsere Mitglieder sind magistrierte und promovierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Fachbereiche wie zum Beispiel Kunstgeschichte, Geschichte, Sprach- und Literaturwissenschaften, Archäologie, Ethnologie und Rechtswissenschaften. Um den gewünschten Austausch der Mitglieder zu gewährleisten, veranstaltet der Verein zwei Arbeitskreistreffen im Jahr. Diese werden in Zukunft unterschiedliche Ausrichtung haben. Auf den Herbsttreffen werden wir in Arbeitsgruppen spezielle Themen bearbeiten und hierzu - wenn erforderlich und gewünscht - Empfehlungen erarbeiten. Konkret beschäftigen wir uns im Augenblick sehr intensiv mit der Standardisierung von Provenienzangaben. Die Frühjahrstagungen werden dazu dienen, den internationalen Dialog mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zu pflegen. Zu unserem letzten Treffen in Weimar im April 2015 haben wir unsere niederländischen Kolleginnen zu Vorträgen und Diskussionen eingeladen. Das übernächste Treffen im Frühjahr 2016 in Karlsruhe wird dem Austausch mit den französischen Kolleginnen und Kollegen gewidmet sein. Darüber hinaus erstellen wir gerade eine Webseite, auf der neben öffentlich zugänglichen Informationen auch den Mitgliedern vorbehalten Spezialthemen aufbereitet abgerufen werden können und auch der Austausch der Mitglieder untereinander stattfinden wird. Zudem möchten wir natürlich auch bei den weiteren kulturpolitischen Entwicklungen in diesem Bereich mithelfen, die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen stetig zu verbessern.
Wo findet die Provenienzforschung zur Zeit statt, von wem wird sie geleistet und wie wird sie finanziert?
Zurzeit findet die Provenienzforschung an vielen öffentlichen Einrichtungen wie Archiven, Bibliotheken und Museen statt. Auch Privatsammlerinnen und -sammler lassen inzwischen ihre Bestände professionell erforschen. Ebenso wird diese Arbeit an einigen Auktionshäusern, Kunsthandlungen und Galerien durchgeführt.
Diese sehr anspruchsvolle Arbeit wird von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern geleistet, die unterschiedliche geisteswissenschaftliche Studien absolviert haben und/oder sich für die Tätigkeit an Bibliotheken, Archiv, Museen und im Kunsthandel ausgebildet haben.
Die Finanzierung dieser Stellen ist recht unterschiedlich. Einige Einrichtungen finanzieren diese Stellen inzwischen aus eigenen Mitteln, viele Projektstellen jedoch werden mit Mitteln der Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste ermöglicht.
Wie sehen Sie die Zukunft dieses Forschungsbereiches, auch in Hinblick auf eine längerfristige Finanzierung?
Da die Provenienzforschung viele über die Herkunft hinausgehende Informationen zu den einzelnen Objekten liefert, sehe ich die Zukunft dieses Arbeitsbereichs an den öffentlichen Einrichtungen für unabdingbar. Denn in Zeiten auch immer wieder enger Finanzrahmen - diese Klage ist im Übrigen eine kontinuierliche - gilt es mit den erforschten Informationen an den einzelnen Einrichtungen kreativ umzugehen. Und gerade hier liefert die Provenienzforschung ganz neue Impulse und Inhalte, die genutzt werden können und sollten. Das Museum, die Bibliothek, das Archiv etc. sind keine statischen Gebilde, sie bilden sich und müssen sich auch in ihren Strukturen weiterentwickeln und da kommt nun eben die Forschungsdimension hinzu. Dieser Prozess dauert manchmal etwas länger, aber irgendwann ist es dann soweit und es findet einen Veränderung, eine Adaptierung der Strukturen und Abläufe an die gegebenen Anforderungen statt. Und dann wird die Provenienzforschung ein unverzichtbarer und natürlicher Bestandteil der zu erbringenden Arbeit sein, die dann auch ganz selbstverständlich eine Kostenstelle in den einzelnen Einrichtungen haben wird.
Wie beurteilen Sie den aktuellen und den künftigen Personalbedarf in der Provenienzforschung? Sehen Sie hier Potential auch für freiberuflich tätige Kulturwissenschaftler, die sich in diesem Bereich etablieren möchten?
Der Bedarf ist im Augenblick sehr hoch und wird über Jahre hinweg sicher hoch bleiben, Fachkräfte hingegen aber momentan sind Mangelware. Da weiterhin ein großer Bedarf an den öffentlichen Einrichtungen besteht, die Forschungen an Privatsammlungen zudem erst beginnt und auch die Anforderungen für den Kunsthandel, den Galerien und den Auktions- und Versteigerungshäusern in dieser Hinsicht noch steigen werden, gibt es sicher in den nächsten Jahre gute Aussichten für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die in diesem Bereich tätig werden wollen. Freiberuflerinnen und Freiberufler haben wir im Übrigen bereits einige unter unseren Mitgliedern.
Welche Voraussetzungen müssen hierfür erbracht werden und wo können diese gegebenenfalls erworben werden?
Grundsätzlich bedarf es einer akribischen Arbeitsweise, denn der gesamte Arbeitsprozess muss auch mit Negativbelegen dokumentiert werden. Das muss man mögen und können. Natürlich ist ein geisteswissenschaftliches Studium von Nöten und/oder fundierte Ausbildungen in den Bereichen Archiv / Bibliothek / Museum. Vertiefte Kenntnisse zur Sammlungs- und Institutionengeschichte und, wenn es um die Forschung nach NS-bedingt verbrachten Kulturgüter geht, zur Geschichte des Raubes von Kulturgütern jüdischer Bürgerinnen und Bürger von 1933 bis 1945 (nicht nur in Deutschland, sondern in vielen anderen europäischen Ländern) sind maßgebliche Voraussetzungen. Zudem muss man ein Faible für die und auch intensive Kenntnisse von der Archivarbeit haben und einen Instinkt, Sachverhalten intensiv nachzugehen. Juristische, wirtschaftshistorische und allgemeine kulturhistorische Kenntnisse sind ebenfalls sehr hilfreich.
An wen sollten sich interessierte Kollegen und Kolleginnen wenden, wenn sie sich in der Provenienzforschung engagieren möchten?
Sie können sich sehr gerne an den Arbeitskreis Provenienzforschung e.V. wenden.
E-Mail: kontakt@arbeitskreis-provenienzforschung.org
Frau Dr. Haug, wir danken Ihnen für das Interview
Ich danke Ihnen.