Hightech in der Archäologie -
Laserscanning archäologischer Mauerbefunde und Fundstücke
Von Dipl.-Ing. (FH) Dirk Fichtmüller und Dipl.-Ing. (FH) Henry Kießling
Seit 2004 ist im Landesamt für Archäologie Sachsen ein Laserscanner zum Erfassen von Mauerbefunden im Einsatz. Aus den positiven Erkenntnissen dieser effektiven und detaillierten Dokumentationsmethode komplexer archäologischer Befunde ergab sich die folgerichtige Entscheidung, gleiches Verfahren auch für Fundobjekte, wie z.B. Scherben, Gefäße, Schmuck etc. einzusetzen. Daher wird seit Mitte 2005 ein weiterer Laserscanner speziell zur Funddokumentation eingesetzt. Aufgrund ihrer Art, bieten beide Vermessungsinstrumente ein hohes Potenzial für die effektive und hochpräzise Datenerfassung. Damit können die verschiedenartigsten archäologischen Objekte, groß- als auch kleinteiliger Natur, qualitativ und quantitativ im Rahmen der zukunftsorientierten digitalen Dokumentation aufgenommen und ausgewertet werden.
Über deren Verwendung, Nutzen, Erfahrungen sowie integrierter Forschungsprojekte soll im Folgenden berichtet werden. Dabei wird der Bereich des 3D-Laserscannings archäologischer Mauerbefunde in Teil 1 und der Bereich der Funddokumentation in
Teil 2 behandelt.
Teil 1
In der Archäologie werden hohe Forderungen an die Dokumentation von Mauerbefunden gestellt. Diese sollte nach Möglichkeit räumlich sowie zeitlich (vierdimensional) erfolgen. Dabei stehen Aspekte wie verformungsgerecht, steingenau und fotorealistisch im Vordergrund. Folglich ergibt sich aus archäologischer Sicht der Anspruch "So vollständig wie möglich" an die Dokumentation. Der Geodät hingegen versucht dabei eine optimierte dreidimensionale Dokumentation mit den ihm zur Verfügung stehenden Technologien zu realisieren, mit dem Ziel, die Daten flexibel zu generieren und daraus Pläne und Modelle zu erzeugen. Dies wiederum realisiert er "So genau wie nötig". Die Devise des Investors lautet dagegen "So schnell wie möglich". Er erwartet, dass die archäologische Untersuchung und somit die Freigabe der Bauflächen ohne unnötige Bauverzögerung abläuft.
Hieraus lassen sich bereits die gegensätzlichen Interessenlagen der Beteiligten klar abgrenzen. Das Ziel besteht nun darin einen Kompromiss zwischen den einzelnen Parteien zu finden. Durch den Einsatz geeigneter Messverfahren kann diese Situation zweckmäßig gelöst werden.
Darüber hinaus ergeben sich unterschiedliche Zielsetzungen des archäologischen und vermessungstechnischen Bereiches an die dreidimensionale Dokumentation.
Archäologie | Vermessung |
---|---|
- Integration der archäologischen - Schaffung einer optimalen Daten- - Bereitstellung der Grabungsergeb- - Wiedererleben der Ausgrabung im - Integriertes Dokumentenmanage- |
- Optimierung des Arbeitsprozesses - Verformungsgerechte, maßhaltige - Visualisierung der archäologischen - Aufbau archäologischer Geoinfor- |
Daher müssen auch hier die bestehenden unterschiedlichen Ziele zwischen der Archäologie und Vermessung durch eine Kompromissfindung gelöst werden. Insbesondere die Genauigkeit, der Detailreichtum sowie die anfallende Datenmenge stellen in diesem Zusammenhang die größten Problemfelder dar. Daher ist die Formulierung von Standards für die Anforderungen an die archäologische Datenverwaltung unerlässlich.
Tachymetrie / Fotogrammetrie
Im Anschluss an frühere, etablierte Vermessungs- und Dokumentationsverfahren finden nunmehr seit ca. 15 Jahren moderne vermessungstechnische Verfahren Einzug im Bereich der Archäologie. Insbesondere die Tachymetrie und Fotogrammetrie haben bei der Erfassung von archäologischen Objekten eine neue Qualität gebracht. Allerdings ergeben sich auch für diese Verfahren unter den heutigen wirtschaftlichen Gesichtspunkten Grenzen. So ist z.B. die tachymetrische Vermessung zur steingenauen Erfassung archäologischer Mauerbefunde besonders zeitaufwendig. Die Erfassung erfolgt ausschließlich über diskrete, ausgewählte Einzelpunkte. Dies führt daher zur geometrisch reduzierten und kantenorientierten Dokumentation der Objekte. Baukörper bzw. Baugruppen sowie deren Objektdurchdringungen sind im fertigen Drahtgittermodell geometrisch erkennbar (Abb. 1).
Drahtgittermodell
© Landesamt für Archäologie Sachsen
Details gehen aufgrund der Generalisierung verloren, können jedoch durch Kombination mit fotogrammetrischen Verfahren zusätzlich dokumentiert werden, so dass dennoch begrenzt sehr detailliertere und fotorealistische Modelle entstehen. Deshalb sind diese Verfahren heute mehr als etabliert und in weiten Bereichen der Archäologie auch nicht mehr wegzudenken. Denn der zeitliche und auch mittlerweile preisliche Vorteil, im Vergleich zur klassisch händischen Dokumentation, machen sich in Zeiten von "Zeit ist Geld" besonders bemerkbar.
Laserscanning
Ganz im Gegensatz zur Tachymetrie / Fotogrammetrie steht die Highend-Dokumentation mittels 3D-Laserscanners, welche seit einigen Jahren im Bereich der Archäologie mit Erfolg eingesetzt wird. Diese moderne Technologie ermöglicht die hochpräzise Erfassung komplexer / unregelmäßiger Objekte und kommt dann zum Einsatz, wenn die tachymetrisch-generalisierte Aufnahme unwirtschaftlich wird und aus wissenschaftlicher Sicht zu Informationsverlusten führt.
Während des Scannens werden die Objektoberflächen zeilenweise mit einem Laserstrahl abgetastet, wobei Millionen von Messpunkten entstehen, die das Objekt repräsentieren. Zusätzlich werden die archäologischen Objekte mit einer hochauflösenden Digitalkamera erfasst. Dabei kommen unter Umständen spezielle tageslichtähnliche Beleuchtungseinheiten zum Einsatz, die bei korrekter Anwendung eine gleichmäßige und schattenfreie Ausleuchtung der Mauerbefunde gewährleisten. Dadurch erhöht sich zwar der Aufwand bei der Datenerfassung, aber die gesteigerte Qualität sowie die erheblich verkürzte Bearbeitung der Bilddaten im Innendienst, welche bislang sehr aufwendig war, rechtfertigen dies.
Grundlage hierfür ist allerdings eine objektbezogene Aufnahme vor Ort. Für die vollständige Erfassung komplexer Objekte sind somit in der Regel mehrere Standpunkte notwendig, wobei die einzelnen Positionen über sogenannte Passpunkte miteinander verknüpft werden. Diese können tachymetrisch exakt vermessen werden und dienen gleichzeitig als Übergang in übergeordnete Koordinatensysteme. Damit ist die Tachymetrie ein unerlässliches Werkzeug im Arbeitsablauf des Laserscanning.
Eingefärbte Punktwolke je Standpunkte
© Landesamt für Archäologie Sachsen
Abbildung 2 zeigt an einem Beispiel einer archäologischen Ausgrabung am Dresdner Neumarkt diese Art der Aufnahme durch die standpunktweise Einfärbung der Daten. Ein weiterer Vorteil der objektbezogenen Aufnahme ist, dass von vornherein die Standpunkte gezielt geplant werden können. Dadurch lässt sich wiederum eine übersichtliche Datenerhaltung für die Auswertung konzipieren. Unter Berücksichtigung all dieser Faktoren kann ein stein- und formgerechtes sowie detailgetreues Aufmaß erzielt werden.
Im Ergebnis der Datenaufbereitung entstehen durch die Kombination der erfassten Geometrie- und Bildinformationen maßhaltige und fotorealistische 3D-Modelle. In diese bzw. aus diesen können anschließend individuell erwünschte Informationen integriert bzw. abgeleitet werden. U.a. sind dies Grundrisse, Schnitte, Ansichten, Orthofotos, Befundkartierungen und CAD-Daten (Abb. 3). Weiterhin können Visualisierungen der ergrabenen Objekte nicht nur dem Fachmann und interessierten Laien als realistische Präsentationen dienen, sondern auch medienwirksam verwendet werden.
Orthofoto
© Landesamt für Archäologie Sachsen
Betrachtet man nun abschließend die doch enormen Investitionskosten der Hard- und Software für ein solches Scannersystem, die im Allgemeinen um ein vielfaches höher liegen gegenüber einer Totalstation, müssen andere Faktoren den wirtschaftlichen Einsatz eines Laserscanners begründen. Qualität und Quantität sind die bestimmenden Faktoren. Bezieht man sich auf die oben bereits angesprochenen drei unterschiedlichen Ansprüche an die archäologische Dokumentation und der Maßgabe "Zeit ist Geld", so ergibt sich aus der objektbezogenen Aufnahme sowie den Möglichkeiten der detaillierten Auswertung ein hervorragender Kompromiss zwischen allen drei Ansprüchen.
Als Fazit aus den bisherig gesammelten Erfahrungen im Bereich der digitalen archäologischen Dokumentation kann abgeleitet werden, dass Laserscanning, digitale Fotografie und Tachymetrie moderne sowie sich ergänzende Technologien sind. Eine effektive Dokumentation ergibt sich aus der Kombination der einzelnen Verfahren, die sich wiederum aus den speziellen Anforderungen an die Dokumentation des einzelnen archäologischen Objektes ergibt.
Teil 2
Allein in Sachsen werden jährlich rund 700.000 Fundobjekte auf archäologischen Grabungen gefunden und im Landesamt für Archäologie archiviert. Insgesamt ist der Depotbestand bis heute auf 16 Millionen Funde angestiegen. Für archäologische Untersuchungen werden vornehmlich ausgewählte Objekte mit großer wissenschaftlichen Aussagekraft bzw. hohem ästhetischen Wert in die Funddokumentation aufgenommen. Grundlage dieser Dokumentationen sind die bis heute üblicherweise nach festen Konventionen von Hand angefertigten Zeichnungen (Abb. 4) und Fotos archäologischer Objekte.
Diese "klassischen" Produkte der 2D-Dokumentation bilden die Basis für wissenschaftliche Klassifikationen und Publikationen. Jedoch ist das manuelle Zeichnen archäologischer Fundobjekte sehr arbeits- und zeitaufwendig. Außerdem unterliegt es subjektiven Faktoren der Aufnahme und Wiedergabe von Merkmalen wie Verzierungen. Mit dem bereits umgesetzten Verfahren der 3D-Funddokumentation im Landesamt für Archäologie Sachsen können diese Einflüsse behoben und neue Darstellungsmöglichkeiten für Publikationen erbracht werden. Neben der Publikation auf Papier ergeben sich weitere Präsentationsmöglichkeiten der 3D-Modelle, wie z.B. internetbasierte oder museale Visualisierung der 3D-Modelle, die weltweit für jedermann zur Verfügung stehen.
Zunächst werden die einzelnen Fundobjekte dreidimensional erfasst. Hierzu wird ein Laserscanner Konica Minolta Vi-910 eingesetzt, der die Objektoberfläche im Submillimeterbereich abtastet. Die integrierte Kamera (640x480 Pixel) dient als Empfangseinheit zur Geometrieerfassung sowie zur Aufnahme von Farbfotos des Objektes. Weitere Utensilien, wie Drehteller und Beleuchtungseinheiten, dienen dazu, den Aufnahmeprozess zu verkürzen und zu optimieren (Abb. 5).
Abb. 5
Scanner und Drehteller im Einsatz
© Landesamt für Archäologie Sachsen
Im dafür eingerichteten 3D-Labor des Landesamtes für Archäologie Sachsen können optimale Bedingungen zur Ausleuchtung der Gefäße realisiert werden, da nicht nur die Gewinnung der Geometrie, sondern auch die Farbinformationen des Objektes für weitere Analysen und Interpretationen notwendig sind (Abb. 6).
3D-Labor im Landesamt für Archäologie Sachsen
© Landesamt für Archäologie Sachsen
Insgesamt wird das Objekt mit mehreren Aufnahmen aus verschiedenen Richtungen mithilfe des Drehtellers in einem Arbeitsschritt vollständig erfasst. Die Datenaufbereitung der einzelnen Aufnahmen bis zum 3D-Modell geschieht in dem Programm Raindrop Geomagic Studio9 ®. Wobei hierunter das Ausrichten der einzelnen Aufnahmen zueinander, das Vereinigen aller Aufnahmen zu einem Objekt, sowie die Bearbeitung einschließlich Fehlstellenkorrektur zu verstehen ist. Im Ergebnis entsteht das 3D-Modell des Fundobjektes mit guter Detailtreue und Maßhaltigkeit sowie Farbechtheit. Dieses wird anschließend als PLY-Datei gespeichert. Danach können im speziell für archäologische Nutzen entwickelten Programm TroveSketch (deutsch: Fundzeichner) anhand des virtuellen Modells automatisiert publikationsreife Abbildungen hergestellt werden. Bei der Mehrzahl an gefunden Objekten handelt es sich jedoch um unvollständige oder zerscherbte Funde. Um diese abzubilden werden sie im Programm Vessel Reconstructor rekonstruiert.
TroveSketch
TroveSketch ist weltweit bisher das einzige Programm, um die Funddokumentation mit Maßen, Abbildungen und Profilen aus 3D-Modellen für Publikationen zu erstellen. Das 3D-Modell wird hierzu in dem Programm geöffnet. Danach wird das Modell automatisch ausgerichtet. Die manuelle Vermessung des Fundobjektes entfällt. Im 3D-Modell können alle wichtigen Maße, wie Durchmesser vom Rand, Boden des Objektes automatisch abgemessen werden. Zur Abbildung der Objekte sind vier Darstellungsmethoden im Programm integriert. Speziell für Publikationen werden standardisierte Ansichten der 3D-Modelle einer Darstellungsmethode erstellt.
Abbildung 7 zeigt hierbei eine im Landesamt für Archäologie Sachsen bevorzugt verwendete Methode, um Keramik abzubilden. Diese Abbildungen können in die üblichen Bildformate maßstabsgetreu in hoher Auflösung exportiert werden. Dies gilt auch für realitätsnahe farbige Abbildungen des Modells. Für komplexe Verzierungen oder Bemalungen am gesamten Objekt kann mithilfe der Abwicklung das Modell virtuell "aufgeschnitten" und in die Ebene projiziert werden (Abb. 8).
Abb. 8
Abwicklung eines ägyptischen Gefäßes
© Landesamt für Archäologie Sachsen
Die gesamte Verzierung kann dabei angezeigt und als Bilddatei exportiert werden. Zur Profildarstellung können prinzipiell beliebige Schnitte am Modell ausgewählt werden. Fehlende Abschnitte können automatisch oder von Hand leicht rekonstruiert werden. Der Export des Profils erfolgt im EPS-Dateiformat.
Vessel Reconstructor
Der Vessel Reconstructor ermöglicht es unvollständige und zerscherbte Funde als 3D-Modell virtuell zu rekonstruieren. Vorausgesetzt wird, dass die Funde als 3D-Modelle erfasst sind. Bei zerscherbten Objekten werden aufgrund der hohen Anzahl an Einzelteilen einige wenige, jedoch aussagekräftige Scherben dreidimensional erfasst. Im Programm ist es notwendig, diese 3D-Modelle der Scherben manuell auszurichten. Hilfreich sind hierbei integrierte Hilfslinien und für die Ermittlung des Durchmessers eine Kreisschablone, wie es der Zeichner auf herkömmliche Art und Weise kennt. Führt man anschließend die Rekonstruktion durch, kann nochmals die Lage der einzelnen Scherben kontrolliert und angepasst werden. Das rekonstruierte Modell (Abb. 9) wird auch hier als PLY-Datei gespeichert werden. Das 3D-Modell des Fundobjektes steht nun für weitere Bearbeitung im Programm TroveSketch zur Verfügung.
Abb. 9
Rekonstruiertes 3D-Modell
© Landesamt für Archäologie Sachsen
Die Entwicklung beider Programme ist das Ergebnis der Zusammenarbeit zwischen dem Landesamt für Archäologie Sachsen und der Technischen Universität Chemnitz, Professur Graphische Datenverarbeitung und Visualisierung. Im Vergleich zum herkömmlichen Zeichnen erweist sich die softwaregestützte 3D-Funddokumenation besonders effizient, um schneller und genauer Abbildungsergebnisse zu liefern. Bedenkt man die permanenten Verbesserungen in Aufnahme- (Scanner) und Bearbeitungs-Technologie (PC und Programme) ist es möglich den Workflow weiter zu optimieren. Ein direkter Vergleich zwischen herkömmlicher Rekonstruktion, sprich "Puzzeln und Kleben" mit dem Verfahren der Laserscannings und dem Programm Vessel Reconstructor zeigte, dass die Methode nur mit einer Auswahl an einigen wenigen Scherben ein zeitsparenderes Verfahren ist. Der zeitliche Aufwand, alle Scherben dreidimensional zu erfassen, ist hierbei noch zu hoch.
Weitere Informationen erhalten Sie unter:
www.archsax.sachsen.de/Themenportal/1345.htm
www.archsax.sachsen.de.html
Kontakt
Dirk Fichtmüller
Landesamt für Archäologie Sachsen
Zur Wetterwarte 7
01109 Dresden
Mail: dirk.fichtmueller@archsax.smwk.sachsen.de
Text: (c) 2008 Bundesverband freiberuflicher Kulturwissenschafter e.V.,
Dirk Fichtmüller und Henry Kießling
Abbildungen: (c) Landesamt für Archäologie Sachsen
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