Vorwort

Von Elisabeth Ida Faulstich und Jochen Scherbaum

Im Frühjahr 2012 veranstalteten der Bundesverband freiberuflicher Kulturwissenschaftler (BfK) - Sektion Archäologie und der Verband selbstständiger Archäologen Bayerns (SAB) gemeinsam die Tagung "Dokumentation und Innovation bei der Erfassung von Kulturgütern II" in Würzburg.

Die Tagung folgte der gleichnamigen Veranstaltung aus dem Jahr 2006 in Lübben. Diese hatte eine große Resonanz hervorgerufen, häufig mit Bitte um Fortsetzung gekoppelt. Diesem Wunsch kamen wir gerne nach.

Im Jahr 2006 in Lübben stellten wir uns noch die Frage, ob und in welcher Form digitale Verfahren bei der Dokumentation von archäologischen Ausgrabungen überhaupt einsetzbar sind. Zwar wurden auch damals bei der Vermessung von Grabungen und archäologischen Befunden schon vielfach Tachymeter verwendet, aber sie waren längst nicht die Regel und vor allem längst nicht vorbehaltlos anerkannt. Nivelliergerät und Maßband waren noch vielerorts das Maß der Dinge. Heute ist eine flächige Untersuchung ohne digitale Vermessung nahezu undenkbar. Die digitale Ära hat auch, mit der branchenüblichen Verzögerung, das Arbeitsgebiet der archäologischen Dokumentation erreicht. Digitalfotografie und CAD sind heute Standards, über die kein Wort mehr zu verlieren wäre.

Da der technische Fortschritt in der digitalen Erfassung von Strukturen und Oberflächen sowie in der Aufbereitung der zu gewinnenden Datenflut bereits wieder ein gutes Stück voran galoppiert war, bot die Fortsetzung der Tagung von Lübben beste Gelegenheit, hier neue Produkte und Verfahrensweisen vorzustellen, sie in Bezug ihrer Anwendbarkeit im archäologischen Kontext zu präsentieren und natürlich auch zu diskutieren.

Die echte dreidimensionale Abbildung von Befunden vom Pfostenloch bis zur Kreuzritterburg stellt sicher die aktuell aufregendste Form der Planerfassung dar. Hier konkurrieren zwei Verfahren, der 3-D-Laserscan und die 3-D-Fotogrammmetrie miteinander. Die sich wie in allen Bereichen der digitalen Verarbeitung beschleunigende Entwicklung hat die Trennlinie zwischen den beiden Verfahren seit der Tagung allerdings bereits aufgehoben.

Die mit Heißblut geführten Diskussionen machten deutlich, dass die Kollegen durchaus eines in den Fokus gerückt sehen wollten: Die Erforschung der Vergangenheit braucht einfach Zeit. Bei allen Fortschritten und der enormen Zeitersparnis vor Ort durch den Einsatz der digitalen Techniken wurde immer wieder hinterfragt, ob die Verfahren auch den archäologischen Objekten gerecht werden und den Ansprüchen der Wissenschaftler genügen können. Wie sind die teilweise gigantischen Datenmengen zu archivieren? Beschäftigt sich der Archäologe noch mit dem Befund oder nur noch mit seinem Dokumentationsgerät? Dass hier die Argumentation streckenweise sehr an die Diskussion zur Einführung des Tachymeters vor 15 Jahren erinnerte, mag in dem berufsbedingt konservativen Wesen der Archäologen begründet sein.

Eindrucksvoll zeigte der Zwischenbericht zur Erfassung des Bamberger Doms, dass es in diesen Fragen ohnehin keinen Königsweg geben kann. Nur eine gut geplante und flexibel eingesetzte Kombination aller Techniken vom Maßband bis zum Laserscan wird den komplexen Anforderungen der Dokumentation von Großobjekten gerecht werden.

Zweiter Themenschwerpunkt war der zunehmende Einsatz von naturwissenschaftlichen Methoden zur Unterstützung und Nachbereitung archäologischer Untersuchungen. Hier sind vorrangig Geophysik, Archäobotanik, Geoarchäologie, Anthropologie und natürlich Genforschung zu nennen.

Die Untersuchung eines Gräberfeldes oder neuzeitlichen Friedhofes ohne einen Anthropologen, der auf archäologisches Fundmaterial spezialisiert ist, ist heute nahezu undenkbar. Hier sind in den letzten Jahren neue Untersuchungsmethoden und neue Standards entwickelt worden. Sie liefern einen beachtlichen wissenschaftlichen Mehrgewinn, auf den wir nicht mehr verzichten können und wollen.

Geophysikalische Untersuchungen ermöglichen im Vorfeld von archäologischen Untersuchungen in vielen Regionen einen Blick auf die Anzahl und Dichte der archäologischen Befunde. Geophysiker haben einen festen Platz in der Archäologie. Ohne ihre beeindruckenden Bilder wäre so manches Projekt einem potentiellen Förderer deutlich schlechter begreifbar zu machen.

In der Nachbereitung ergänzen botanische Untersuchungen das Bild der menschlichen Lebenswelten. Sie liefern unverzichtbare Daten zu Umwelt und Ernährung. Ohne sie ist die Grabungsdokumentation lückenhaft und ein Verlust an wichtigen Erkenntnissen in der Forschung.

Die Genforschung schließlich vollzieht nun den Schritt zur Personalisierung des Fundes. Ein Skelett oder eine Mumie, kann aus sich selbst heraus, d. h. ohne Beifunde in einen geografischen oder gar familiären Zusammenhang gesetzt werden und damit auch soziologisch erfasst werden.

Im Zusammenspiel dieser archäologischen "Hilfswissenschaften" wird vor allem eins erreicht. Der Mensch wird in seiner Umwelt und in seinem Umfeld erfasst und tritt als Individuum mit seiner persönlichen Geschichte, seinen Triumphen und seinen Leiden aus dem Dunkel des Vergessens ins Dämmerlicht der Geschichte. Wenn man das als Archäologe erreicht, kann man eigentlich zufrieden sein.

Wir freuen uns nun die spannenden Artikel zu den Vorträgen veröffentlichen zu dürfen und danken nochmals den Autoren und allen Beteiligten herzlich für ihr Engagement.